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Streifzug durch die Kurhessen-Kaserne:

Aus dem Leben des Bundesgrenzjägers


Freie Staatsbürger - Im normalen Beamtenverhältnis - Gründliche Polizeiausbildung - Berufl. Weiterbildung


Unter diesen Unterschriften berichtete das "Göttinger Tageblatt" am 6. Dezember 1952 über die neuen Hausherren in der ehemaligen Pionierkaserne. Es wurde weiter ausgeführt:

"Seitdem Münden durch den Einzug der Grenzschutz-Abteilung Mitte IV wieder Garnisonstadt geworden ist, hat das Auftauchen der grünen Grenzjägeruniformen im öffentlichen Leben und vielfach auch schon in den Bürgerfamilien der Stadt mancherlei Fragen über Wesen und Ziele des Bundesgrenzschutzes aufgeworfen. Vielfach herrschen in der Öffentlichkeit unklare und irrige Ansichten über diese neue Truppe. Ein GT-Besuch in der Kurhessen-Kaserne sollte deshalb der Klärung dieser Fragen dienen, nachdem in einem ersten Bildbericht vom 11. 10. die wirtschaftliche Bedeutung der zugezogenen Abteilung für Münden behandelt wurde.

Abteilungskommandeur Oberstleutnant i. BGS Poggendorf ließ uns und unsere Kamera Türen und Tore des weitläufigen Kasernengeländes ohne Einschränkungen öffnen. Geschäftiges Leben herrscht in diesen Tagen dort draußen. Neben dem normalen Dienstbetrieb der Abteilung sind zahlreiche Mündener Baufirmen damit beschäftigt, die Anlagen wieder instandzusetzen. Der II. Bauabschnitt mit einer bewilligten Bausumme von rund 150 000 DM ist soeben angelaufen. Das Stabsgebäude am Toreingang wird wieder hergestellt, während die Polen des daneben liegenden Blocks einen eigenen Zugang zur Wilhelmshäuser Straße erhielten.

In den Werkstätten
spielt sich ein nicht geringer Teil des täglichen Dienstes ab. Es gibt in zum Teil noch behelfsmäßigen Räumen eigene Werkstätten für Fahrzeuginstandsetzung, für Tischler, Schmiede, Maler, Sattler usw. Ein eigener Instandsetzungstrupp ist vorhanden. Alle diese Einrichtungen sind mit modernsten Geräten und Maschinen versehen. Rund 60 zivile Arbeitskräfte, meist Spezialarbeiter, haben hier Beschäftigung gefunden. Der große Betrieb herrscht in der Kfz-Werkstatt. Die rund 185 Fahrzeuge der Abteilung zu pflegen, ist keine Kleinigkeit, obwohl die einzelnen Typen weitgehend genormt sind. Die Kräder sind von "Ardie", die leichten Pkw "VW", die mittleren "Mercedes" und "Magirus". Daneben führt die Abteilung drei "Sonderfahrzeuge", ehemalige amerikanische Panzerspähwagen leichter Bauart. In der Waffenmeisterei trifft man den deutschen Karabiner "98K" und das MG 42 wieder. Hochwertig ist die Ausstattung mit Sanitätseinrichtungen, mit Funk- und Fernsprechgeräten. Außerdem gibt es einen technischen Zug für
Pionier- und Katastropheneinsatz, der z. Zt. noch in Höxter steht.

Fotos aus dem Göttinger Tageblatt

li.: Die Pflege der eigenen Fahrzeuge - hier eines Sonderfahrzeuges - erfordert großes technisches Verständnis; re.: In den wohnlich eingerichteten Unterkünften ist der Karabiner "98 K" die "Braut" auch des Bundesgrenzjägers geblieben. Aufn.: (4) Burkhardt

Gummisohlen und Schlafanzüge
In den Bekleidungskammern sieht es äußerlich nicht anders aus wie auch früher in deutschen Kasernen. Es wird genau so säuberlich und sparsam mit den Reserven umgegangen wie eh und je. Trotzdem gibt es einige Novitäten, wie etwa den gestreiften Flanell-Schlafanzug anstelle des früheren, meist unförmigen Nachthemdes, unter den Schnürstiefeln Gummisohlen und Halbschuhe zur Dienstbekleidung. Dazu die kurze Bluse und die allerdings ebensowenig wie diese als Fortschritt empfundene Keilhose und natürlich den schwarzen Binder zum Hemd.

Die vielseitige Ausbildung
Neben der Spezialausbildung in den erwähnten technischen Einrichtungen ist die Grundausbildung auf dem Kasernenhof, im Gelände und auf dem Schießstand im äußeren Bild nicht viel anders als früher. Aber sie ist nicht mehr Selbstzweck, vollzieht sich in weniger harten Formen, ist vielmehr nur Teilgebiet der vielseitigen Ausbildung mit dem Ziel einer vollgültigen Polizeiverwendung im geschlossenen Verbande. Dazu gehört erheblich mehr theoretisches Wissen. als einst der "Reibert" vermittelte, von Straf- und Polizeirecht, von bürgerlichem Recht, Volkskunde, demokratischen Spielregeln usw. Reichliche Sportbetätigung auf allen Gebieten in und außer Dienst schafft dabei den notwendigen Ausgleich.

Der "Bau" ist abgeschafft
Die Dienstzeit ist 45 Stunden je Woche bei täglich zweistündiger Mittagszeit. Der Grenzjäger ist kein Dienstverpflichteter. Vom Kommandeur bis zum Grenzjäger stehen alle Angehörigen des BGS im gleichen Beamtenverhältnis zum Staat, wie der Post-, Polizei- oder Verwaltungsbeamte. Der Werdegang beim BGS beginnt mit der freiwilligen Bewerbung, Eignungsprüfung und Anstellung als Beamter auf Widerruf. Disziplinarisches Einschreiten erfolgt ausschließlich nach der für alle Beamten verbindlichen Bundesdienststrafordnung. "Drei Tage Bau" und dergleichen können daher im BGS nicht mehr verhängt werden. Jedem steht es frei, nach Belieben wieder in einen zivilen Beruf zurückzukehren. Jedoch wird davon, abgesehen von häuslichen Notständen, Todesfällen usw., kaum Gebrauch gemacht. Die Ursache ist darin zu suchen, daß die freiwillige Bewerbung im allgemeinen mit einer gewissen idealen Berufsauffassung verbunden ist, die im Dienst noch gepflegt wird, und daß die Bewerber mit festen Absichten und klaren Vorstellungen zum BGS stoßen. Eine Umfrage auf einigen der wohnlich eingerichteten Stuben ergab, daß die Mehrzahl der Grenzjäger, die zwischen 18 und 24 Jahren eintreten, bereits Berufausbildungen verschiedenster Art hinter sich hat, zum Teil kein Weiterkommen sah und vor allem nach Sicherheit für spätere Jahre strebt. Vom Hauptwachtmeister (als Leiter des Innendienstes) ab kann man beim BGS Beamter auf Lebenszeit werden, aber man kann auch nach etwa sieben Jahren in einen anderen Staatsdienst überwechseln.
Dies fördert die Berufschule im Dienst. Nach dem Muster der Polizeiberufsschule wird sie vom Frühjahr 1953 ab voraussichtlich gesetzlich verankert werden. Daneben wird in der Freizeit unter sehr starker Beteiligung reine Volkhochschularbeit mit zumeist wirtschaftlich verwendbarem Stoff betrieben, wie Rechnen, Buchführung, Deutsch, Fremdsprachen usw. Schließlich steht dem Grenzjäger auch die Spezialistenausbildung des Funkers, Kfz-Fachmannes, Sanitäters, Verwaltungsbeamten, Sportlehrers usw. offen.

Keine Wehrmacht
haben wir also hier vor uns, sondern eine nach modernen Gesichtspunkten gut durchdachte polizeiliche Einrichtung auf beamtenmäßiger Grundlage, wobei vor allem das Prinzip der Tüchtigkeit wie auch der persönlichen Freiheit Gültigkeit hat. Nach dem ersteren richten sich die Beförderungsaussichten: Grenzjäger, Oberjäger, Wachtmeister, Oberwachtmeister, Hauptwachtmeister, Meister, Obermeister bei der unteren und mittleren Laufbahn, ab Leutnant bei der gehobenen. 92 bis 100 DM erhält der eintretende Grenzjäger bei freier Bekleidung, Unterkunft, Verpflegung und Heilfürsorge ausgezahlt. Ein verheirateter Wachtmeister mit zwei Kindern erhält bei freier Bekleidung und Heilfürsorge (letztere auch für die Familie) je nach Dienstjahren 280 bis 360 DM. Hinzu kommen die üblichen Trennungsentschädigungen und Beihilfen wie bei jedem anderen Beamten, zinslose Hausratsdarlehen usw.

Das Prinzip der persönlichen Freiheit wirkt sich neben der erwähnten Freiheit des Berufswechsels in der freien politischen und vereinsmäßigen Betätigung auf demokratischer Grundlage aus. Das Wahlrecht steht dem Grenzjäger wie jedem Staatsbürger zu. - Es hat den Anschein, als trügen diese Freiheiten mit dazu bei, die Bildung starker, gesunder und dem Volksganzen gegenüber verantwortungsbewußter Persönlichkeiten in dieser neuen Polizeitruppe zu fördern.     G."

Fotos aus dem Göttinger Tageblatt

li.: Vom Ausmarsch zurück. Ohne Disziplin kann auch keine Polizeitruppe operieren; re.: In sauberen Eßsälen und an weißgedeckten Tischen schmeckt das Essen doppelt gut. Die Verpflegung ist absolut zivil und für alle Dienstgrade gleich.

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